"SIMSALASINN" von Carlota Carbonell Valero
10. Februar - 3. März 2001
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"Hat ein Krokodil
vier oder sechs Beine?"
"Kannste mal bitte den
Knubbel wegschneiden!"
"Den Mann gibt es wirklich,
der ist an mir vorbeigelaufen"
Eine Ausstellung zum Greifen und Begreifen
Das Kunstwerk vollendet sich im Betrachter. Ein Bild muß man lesen können wie eine Schrift. Die gedankliche Beschäftigung mit diesen Sätzen führten mich schnell zu den Fragen: Was ist Kunst für Blinde? Und ist die Kunst, oder das, was in den Museen hängt und steht, für Blinde überhaupt Kunst?   zur vergrößerten ansicht
Ich wollte diese Sätze näher beleuchten bzw. hinterfragen.
   
zur vergrößerten ansicht   Da ich mir selbst zwar eine Augenbinde umlegen und hilflos tapsend durch die Museen schleichen kann, aber trotz aller Bemühungen nicht die Sensibilität und Fertigkeiten eines blind geborenen oder langsam erblindeten Menschen mir einreden könnte, verwarf ich gleich die lustige Vorstellung einer solchen Performance, denn ich würde sie ohne weitere Selbsterkenntnis, außer der, dass ich ohne Sichtfeld mich langsamer fortbewege, wenn ich nicht über meine Füße fallen will, verlassen.
Also nahm ich mich als das, was ich bin, ein zwar kurzsichtiger aber sehender Mensch und machte mich auf die Suche nach Blinden, mit denen ich zusammenarbeiten wollte. Die Organisation für dieses Projekt erwies sich als eine langwierige Angelegenheit, denn erstens ist nicht jeder Blinde gleich von der Muse geküsst und zweitens war es notwendig, dass ich mich von meiner anfangs vielleicht naiven Vorstellung von "nur im Dunkeln lebenden Menschen" trennte.   zur vergrößerten ansicht
zur vergrößerten ansicht   Es gibt nur sehr wenige völlig blind geborene Menschen, die meisten erblinden entweder durch eine Krankheit oder durch einen Unfall. Heutzutage sind blind Geborene meistens mehrfach behindert. Nach gesetzlicher Definition ist ein Mensch mit einem Restsehvermögen von 5% blind. Der Blindenverein Düsseldorf nimmt ab 10% Restsehvermögen seine Mitglieder auf.- An diesem Informationsstand angelangt, griff ich mir das Buch, aus dem ich den ersten Satz zusammenfassend entlehnt hatte und fasste erneut zusammen: Betrachten hieß hier, ein Werk reflektieren und das Reflektieren war Denken und hierüber kam es zum Begreifen des Werks.
Und weiter hieß es :"Nur das Unvollständige kann begriffen werden, kann uns weiter führen." Selbstverständlich war hier die Unvollständigkeit des Werks gemeint, die sich im Betrachter erst vervollständigt bzw. vollendet. Unvollständig ist bei Sehbehinderten ihre Sicht: Wie vollenden sie ein Werk? Und da sie alles unvollständig sehen, begreifen sie dann am meisten!? Aus meiner mitmenschlichen Erfahrung heraus kann ich den letzten Schluß nicht ziehen - obwohl es das Klischee vom Professor mit der dicken Hornbrille zufällig bestätigt .   zur vergrößerten ansicht
zur vergrößerten ansicht   Was heißt also Begreifen? So erweiterte ich mein Anliegen von einem Projekt mit Blinden auf eines mit Blinden und Sehbehinderten. Das Ergebnis wird der Öffentlichkeit nicht als ein Gemeinschaftswerk präsentiert, sondern als eine Ansammlung von Zitaten und unterschiedlichen Werken. Noch eines scheint mir wichtig, was ich abschließend sagen möchte. Blind sein oder sehbehindert ist für mich ein Anders-sein und keine Macke, mit der ich experimentieren wollte oder möchte.
Das Projekt, wenn auch manchmal schwierig, hat mir sehr viel Freude bereitet und die Braillschrift (Punktschrift) ist für mich mittlerweile nicht nur eine Anreihung von Punkten auf Papier, die schön aussehen, sondern wunderschön, weil ich die Komplexität der Gedanken des Erfinders nun auch vor Augen habe. Hier schließt sich der Kreis hin zum zweiten Satz, ein Bild muß man lesen können wie eine Schrift.
C.Carbonell Valero 19.01.2001
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