SUB * MERGE - Sabine Ruff
13. April - 5. Mai 2002

Künstlergespräch Samstag 27 April 19.30

SUB * MERGE Eine audio-visuelle Performance von Sabine Ruff
am 13. April 2002, Produzentengalerie plan.d.
Von den Wänden des Raumes, in dem wir uns befinden, richten sich Augen auf uns. Es sind Fotos, von denen uns die Augen entgegenblicken, hinter und zwischen Lagen von hauchzarter Plastikfolie eingewoben. Pupillen, Glaskörper isolierte Augendetails, die wie farbige Preziosen strahlen, sind Werkzeuge und Objekte zugleich.
Wolkige Kosmen, in denen sich die Ansicht dessen widerspiegelt, worauf sie sich richten. Wenn Augen "Fenster zur Seele" sind, dann ist dieses Zelt aus seidig knitternder Folie, die nur an einer Stirnseite von Leinwand abgelöst wird, das Innere, das Gehäuse aus dem heraus sie schauen.
Die Folie schlägt Falten wie Haut, ist mal opak, dann transparent, enthüllt, verhüllt - ist aber künstlich, atmet nicht, empfindet nicht. Der Raum ist Sinnbild für den Ort, an dem Wahrnehmung stattfindet, sich optische Eindrücke einfinden, ist halb Körper, halb Kamera Obscura. Darin agiert Sabine Ruff:
An Gummibänder geknotet ­ obwohl dadurch in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt - wird sie , ihren eigenen Schatten und den der Besucher im Raum an die Wand malen.
Die Künstlerin erlebt sich dabei selbst als Ausführende, wird gleichzeitig beobachtet, aber auch auf Video aufgenommen, das wiederum simultan zu sehen ist.
Der lineare Ablauf, das scheinbar geordnete Nacheinander des Erlebens ist aufgehoben. Nicht nur verschiedene Perspektiven, sondern auch andere Qualitäten von Bildern, die ein und denselben Vorgang wiedergeben, werden zeitgleich sichtbar. Kamera, Kabel und zentraler Monitor markieren die elektronischen, digitalen und optischen Verwandlungen des Ereignisses zum medialen Bild.
Das Auge trifft auf der Suche nach Orientierung abwechselnd auf die dreidimensional erfahrbare Welt, dann wieder nur auf plane Leinwand oder Bildschirm. Sabine Ruff übersteigert bewusst die Intensität der Sinneserfahrungen, indem sie sie räumlich und zeitlich konzentriert.
Zwar ist das Auge der Hauptakteur, aber die Performerin arbeitet auch mit den anderen Sinnen: So kann man sich der akustischen Wirkung des computergenerierten Sounds nicht entziehen, der nicht nur die Ohren, sondern den gesamten Körper als Resonanzraum in Besitz nimmt.
Menschliches Atmen ist der Stoff aus dem der Sound entwickelt ist. Anfänglich pur, als primäre Voraussetzung für Leben, dann über mehrer Phasen immer wieder per Computer modifiziert, bereichert und durchmischt mit künstlichen akustischen Mustern, die Naturgeräusche nachahmen, durchläuft der Atemzug verschiedene Stufen einer Metamorphose, die seinen Ursprung im Menschlichen nur noch ahnen lässt.
Die Flut aus direkt oder nur durch ein Medium erlebten Eindrücken widerspricht sich, ergänzt sich aber auch, überschneidet sich in der Information, oder zeigt andere Aspekte, neue Nuancen auf und überschwemmt das Individuum, nimmt seine Sinne in Beschlag.
Niemals wird die Gesamtheit vollständig erfassbar, sondern drängt auf subjektive Selektion und damit auf Verlust und Fragmentierung, die zudem auch noch die Möglichkeit des Irrens beinhaltet.
In der Forcierung dieses Zustandes, liegt aber auch die zwingende Aufforderung zur Handlung, nämlich zu selektieren, den Versuch zu unternehmen etwas auf individuelle Weise festzuhalten, sich ein Bild zu machen und wenn es nur heißt, den Schatten zu folgen.
Diesen Prozess inszeniert Sabine Ruff nicht als Alleingang, sonder als Interaktion mit dem Publikum, bei dem Fragen nach Eigen ­ und Fremdbestimmung, Distanz und Nähe, Duldung und Verteidigung gestellt werden.
Mit ihrer Performance SUB * MERGE legt Sabine Ruff die verschiedenen Erlebnisschichten eines Ereignisses offen. Innenbild, Außenbild und Medienbild verschmelzen zu einem Eindruck, bei dem eine Einteilung in "real" und "medial" für die Betrachtenden ebenso unmöglich wird, wie für die Performerin selbst.
Sabine Ruff demonstriert, wie sich unmittelbares und mittelbares Erleben in der heutigen mediendominierten Welt vermischen und so die Frage nach Eigen- und Fremdbestimmung für die eigene Orientierung und Erfahrbarkeit immer dringlicher wird.
© Jutta Saum, 2002
Die Performance überdauert im medialen Bild. Das mitgeschnittene und unbearbeitete Video wird mit den Sounds auch weiterhin in der Ausstellung bis zum 5. Mai zu sehen sein. Es filmte Peter Leidinger.
oben


zurück